Trauer eines radikalen Denkers
Der Begleiter für schwere Stunden
Mit einem Vorwort von Verena Kast
Insel (Frankfurt am Main/ Leipzig 1999). 83 Seiten
Aus dem Klappentext:
"Niemand hat mir je gesagt, daß das Gefühl der Trauer so sehr dem Gefühl der Angst gleicht. Das gleiche Flattern im Magen, die gleiche Unrast. Zwischen mir und der Welt steht eine unsichtbare Wand..." (Lewis)
Der Trauerprozeß ist für den Menschen, der ihn durchsteht, ein einsamer Prozeß. Dieses Buch, das unter dem Eindruck des Todes von Lewis' Frau entstand, zählt zu den literarischen Klassikern der Trauerarbeit. Offen schildert C.S.Lewis seine Erfahrungen mit falschen Vertröstungen und hilfreichem Trost. Seine aufmerksamen Reflexionen bringen auf den Begriff, was Trauernde empfinden. Die behutsamen Annäherungen an erlittenem Verlust schenken Trauernden Trost.
Näheres zum Inhalt:
Grausamer Schmerz, unbetäubt, sticht in die Seele von C.S. Lewis. Nach langem Junggesellenleben hat er eine Frau gefunden - und die wird ihm kurz nach der Hochzeit durch eine Krebserkrankung genommen. Der bekannte englische Schriftsteller Lewis (1898-1963) - am populärsten haben ihn seine "Narnia"-Märchen gemacht - verarbeitet den Schmerz durch Schreiben. In den Wochen nach dem Tod seiner Frau, die er nur mit ihrem Initial H. nennt, füllt er vier kleine Notizhefte.
Lewis ist nicht nur Literaturwissenschaftler und Fantasy-Autor, sondern auch radikaler christlicher Denker. Im grauen Nebel seiner Trauer sucht er die klaren Konturen - er fragt nach Todesvorstellungen, Totenkult, Gott. Die ersten Tage nach dem Begräbnis seiner Frau führen zu einer haßerfüllten Anklage gegen den Schöpfer, den er in den Jahren zuvor in glühenden Ansprachen und intelligenten Schriften gegen atheistische Angriffe verteidigte. Daß Gott ihm die geliebte Frau genommen hat, kommt Lewis unendlich sadistisch vor. Fromme Sprüche helfen über den Verlust nicht hinweg. "Kommt mir nicht und sprecht von den Tröstungen der Religion, oder ich schöpfe gegen euch Verdacht, daß ihr nichts versteht."
Die gequälte Seele des Autors führt den Leser aber weiter. Sie reflektiert über egoistische Elemente in der Trauerarbeit ("Die Aufzeichnungen handeln von mir, von H. und von Gott. In dieser Rangordnung. Genau in der verkehrten Reihenfolge und Größenordung."). Sie untersucht die Funktion des Totengedenkens durch Gräberpflege und Erinnerungsstücke. Mit wachsendem Abstand reift Lewis' Vorstellung von Gott, den er mit einem Chirurgen vergleicht, der eine Operation selbst dann zu Ende führen muß, wenn der Patient große Schmerzen leidet.
C.S. Lewis spricht mit dieser offenen, unorthodoxen, radikalen Schrift sicher vielen Trauernden aus dem Herzen. Er hilft, die Qualen des Verlustes zu bewältigen. Er klärt die von Schmerzen getrübten Gedanken. Auch die Fröhlichen, Unbeschwerten, sollten dieses kleine Buch nicht missachten. Es kann sie besser auf Verlusterfahrungen vorbereiten, von denen niemand verschont bleibt.
© Marcus Mockler (http://moc.home.pages.de)